oder
Und erstens kommt es anders…
2015 ist nicht mein Jahr, was Urlaub angeht. Das ging schon im Frühjahr los, als ich bei wunderschönem Wetter Richtung Schweiz fuhr um den Seealpsee zu besuchen. 30km vor Ziel stellte sich dann raus, dass der einzige Zufahrtsweg genau an diesem Wochenende wegen Baumfällarbeiten gesperrt war. Shit happens, naja es gibt Schlimmeres. Mein „Glück“ zog sich bis zum Sommer durch, aber ich hatte ja noch den Herbst, auf den ich mich freute.
Als ich hörte, dass im Raimund Theater im September 2015 „Mozart – Das Musical“ anläuft, wars klar: Herbst 2015 gehts wieder Richtung Wien. Ein Hobby muss man ja haben. Ich liebe diese Stadt, aber da ich ja schon das ein oder andere Mal dort war, wollte ich dieses Jahr nur einen Tag in Wien bleiben und danach nach Budapest weiter reisen. Auf dem Rückweg wollte ich noch ein Konzert in München mitnehmen. Also 3 Städte in 6 Tagen. Perfekter Plan!
Die Realität sah anders aus. Ende August zeichnete sich schon ab, dass ich mir wohl die blödeste Route ausgesucht hab, die man sich hat aussuchen können. Der Flüchtlingsstrom aus den Balkanländern lief genau auf der selben Route. Tagelang war der Zugverkehr zwischen Wien und Budapest gesperrt, die Lage in Ungarn war schwierig. So langsam wurde mir klar, dass ich meine Reisepläne wohl ändern müsste. Mein Ersatz für Budapest wurde Salzburg. Auch schön, eigentlich.
Aber die Lage veränderte sich und Mitte September waren es auf einmal die deutsch-österreichischen Grenzen, die mir Probleme machten. 2 Tage vor Abfahrt bekam ich Bescheid, meine Zugverbindung wurde gestrichen. Der Fernverkehr zwischen München und Salzburg bleibt weiterhin aufgrund der Grenzkontrollen eingestellt. Wie gut, dass ich sämtliche Hotelzimmer kostenfrei stornieren konnte. Meine Ersatzroute ging leider nicht mehr über Salzburg. Mist! So wurden aus 3 Städten nur noch 2.
Vielleicht noch kurz zur Erläuterung: Ich wollte nicht fliegen, das wäre wirklich die allerletzte Lösung gewesen. Vorher wäre ich im Schlauchboot auf der Donau nach Wien gepaddelt. Deshalb war ich auf Verkehrsmittel am Boden angewiesen. Aufs Auto wollte ich verzichten, weils im Zug einfach gemütlicher ist. Aber im Nachhinein wäre es vielleicht doch besser gewesen, selber zu fahren. Naja, man lernt ja nie aus.
Die Hinfahrt mit dem Zug war relativ unspektakulär, nur sehr langwierig. Weil man nämlich – Achtung – mit einem österreichischen Zug mit österreichischen Abfahrtsort durchaus mit einem Schnellzug von Deutschland nach Österreich fahren durfte. Also musste ich erstmal von Deutschland nach Österreich um dann zurück nach Deutschland und weiter nach Österreich zu fahren. Alles klar? Ich kann nur eins sagen: Es dauert!
Da ich mir diese Länderhoppserei nur einmal antun wollte, habe ich mich auf dem Rückweg für den Fernbus entschieden. Direktverbindung Wien – München. Hmm.. es hätte gut laufen können, wenn wir nicht Syrer ohne Pass an Bord gehabt hätten. Die zwei Männer hatten wohl gehofft, dass der Bus nicht kontrolliert wird und sie ohne Probleme nach München fahren konnten. Aber die Grenzkontrollen waren gründlich. Die Syrer mussten den Bus verlassen und wir fast 2 Stunden warten, bis unser Bus wieder weiterfahren durfte. Es dauerte noch länger als die Hinfahrt, es war nur nicht so langweilig. Obwohl ich ehrlich gesagt auf den Anblick der Flüchtlinge, die im Regen an der Grenze auf Einreise warten, durchaus hätte verzichten können.
Tag 1 – Mittwoch
Regen! Ja, das ist das richtige Stichwort. Als ich nach knappen 9 Stunden endlich in Wien ankam, stand ich buchstäblich im Regen. Also gut, ich kürzte den Abend ab und suchte mir was zum Essen. Zur Abenddämmerung hüpfte ich kurz mit Regenschirm im Anschlag zur Staatsoper und zur Albertina und schoß meine ersten Fotos. Danach verkroch ich mich im Hotel und lauschte dem Regen.
Tag 2 – Donnerstag
Regen! Immer noch. Aber egal, ich hab ja Regenkleidung mit. Also gings nach dem Frühstück erstmal ans Einkleiden. Regendichte Wanderschuhe, Regenhose, Regenjacke, Regenschutz für den Fotorucksack und los gehts. Es half nicht unbedingt, dass ich mich in einem schicken Design-Hotel in der Innenstadt niedergelassen hab. In dem Outfit fällt man da dann doch ein bißchen auf. Die Blicke der Anzugschnösel, die mit ihren iPads, MacBooks & Co. in der Lobby herumlungerten, verfolgen mich heute noch. Muss wohl an der Regenjacke von Aldi liegen.
Als Ziel hatte ich mir Schloß Belvedere ausgesucht. Das war tatsächlich ein Ort, an dem ich bisher noch nicht war. Aber, Mann ist das nervig, wenn man den Foto immer erst unter dem Regenschutz aus dem Rucksack pulen muss, damit man Fotos machen konnte. Das war das erste Mal, dass ich ein spritzwassergeschützes Gehäuse vermisste.
2 Stunden später merkte ich, dass meine regendichten Wanderschuhe doch nicht mehr ganz so regendicht sind, wie ich mir gedacht habe. Die Aldi-Jacke hielt noch. Belvedere ist nicht ganz so spektakulär wie Schloß Schönbrunn, aber der Schloßgarten ist hübsch und es war sehr ruhig. Ich nahm mir vor, am Abend nochmal wiederzukommen, wenn die Dämmerung hereinbricht und die Gebäude beleuchtet waren. Aber erstmal musste ich trocknen. Ich lief am Wienfluss entlang Richtung Schwedenplatz…
… und fuhr mit den U-Bahn Richtung Prater und besuchte Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Zeit für ein Selfie mit Einstein.
Abends ging ich wie geplant zurück zum Belvedere und schoß meine Dämmerungsfotos. Der Wettergott hatte auch Erbarmen mit mir und es nieselte nur noch leicht.
Nach dem Abendessen – stilecht an einer Würstelbude – ging ich dann noch Richtung Ringstraße. Rainhard Fendrich sang so passend: „Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh’n? Haben Sie das schon erlebt?“ Ja, ich jetzt schon mehrmals und ich bin jedesmal wieder aufs Neue verliebt. Die Fotos sind ein lächerlicher Abklatsch der Wirklichkeit. Sehr eindrucksvoll sind natürlich die ganzen beleuchteten Gebäude entlang der Ringstraße, aber die Stimmung in der Altstadt ist einfach besonders. Nasses Kopfsteinpflaster, alte Gebäude, Stille, ein paar vereinzelte Japaner, die mit ihrem iPad Fotos schießen…
Tag 3 – Freitag
Regen! Was für eine Überraschung. Eigentlich war dieser Tag für einen Ausflug geplant. Ich hatte mir mehrere Ziele in unterschiedlichen Entfernungen ausgesucht. Bratislava und auch Budapest wären im Bereich des Möglichen gewesen. Außerdem wäre der Lainzer Tiergarten oder auch die Weinberge rund um Wien schön gewesen. Aber bei dem Regen wäre alles nicht sonderlich spaßig geworden. Also entschied ich mich für Indoor-Sightseeing. Vorsichtshalber packte ich mich wieder in mein Regenoutfit und trampelte durch die Hotel-Lobby. Die Anzugschnösel mit den MacBooks haben sich über Nacht vermehrt. Es kamen noch ein paar schicke Schnöselinnen in Business-Kostüm dazu. Ich hörte schon die Stimme von Guido Maria Kretschmar: „Und der Rock der Damen endet eine Handbreit über den Knien. Ein schickes Top dazu, ein gut geschnittener Blazer aus einem leichten, fließenden Stoff. Ja, das ist einfach wuuunnderbar.“ Verdammt, ich kam mir mal wieder vor, wie das Mädel vom Lande (welches ich ja auch bin) und verfluchte meine Aldi-Jacke.
Nach einem ausgiebigen Shopping-Trip im nagelneuen Hauptbahnhof-Einkaufszentrum, gings weiter Richtung Hofburg. Um das Schmetterlingshaus bin ich schon ein paar Mal drum rum gelaufen, aber da ich das beinahe identische Tropenhaus im Tiergarten Schönbrunn schon kannte, hatte mich das Schmetterlingshaus in der Hofburg noch nicht wirklich gereizt. Aber bei dem Wetter wirkt auf einmal alles einladend was ein Dach hat. Alles in allem war es trotzdem sehr schön. Da nicht viele Besucher unterwegs waren, wurde man nicht nur durch die engen Gänge geschoben, sondern konnte sich auch beim Beobachten der Tiere mehr Zeit nehmen.
Weiter gings in die Nationalbibliothek. Ich war im Frühjahr schon einmal in St. Gallen in der Klosterbibliothek und muss leider sagen, die in St. Gallen war schöner. Es ist wirklich faszinierend, die ganzen alten Bücher zu sehen. Der Prunksaal ist schon ein eindrucksvoller Saal. Die Fotoausstellung, die den Bau der Ringstraße dokumentiert, war auch sehr interessant. Aber während man in St. Gallen nur mit Filzpantoffel das heilige, alte Parkett betreten durfte, schlappte in Wien jeder mit seinen nassen, dreckigen Wanderschuhen/Turnschuhen/Crocs durch den Saal. Anwesende nicht ausgenommen. Das nimmt einem irgendwie die Romantik. Dafür durfte man in Wien fotografieren:
Am Abend ließ der Regen nach und ich entschied mich den Abend am Prater ausklingen zu lassen.
Tag 4 – Samstag
Regen.. aber halt, was ist das? Blauer Himmel? Nicht wirklich, oder? Meine Wetter-App sagte schon, dass Samstag der beste Tag wird, aber Sonne? Für einen Tagesausflug war die Zeit zu knapp, ich hatte schließlich für den Abend das Musical-Ticket. Aber der Sonne- Wolken-Mix trieben mich nach draußen. Ich ersetzte Regenhose durch Jeans, trug die Aldi-Jacke offen und bahnte mir meinen Weg an den Schnöseln vorbei durch die Lobby nach draußen.
Mich zog es erstmal auf die Donauinsel, auf der ich erstmal eine Stunde lang herumspazierte um einfach nur Sonne zu tanken und die Natur zu genießen.
Danach entschied ich mich dafür, mich in Architektur-Fotografie zu üben. Nahe dem Messegelände exisiert das „Viertel Zwei“, ein Viertel mit Büro- und Wohneinheiten, dass eine sehr spezielle Architektur hat. Bei Fotografen sind die Gebäude sehr beliebt, ich war nicht die Einzige, die sich da einen steifen Nacken geholt hat.
Zurück in der Stadt gönnte ich mir noch einen „Verlängerten“, bummelte durch die Fußgängerzone…
… bevor es dann auch schon Zeit wurde mich für meinen Musical-Abend fertigzumachen.
Ich brezelte mich auf und schmieß mich in Bluse, Blazer und schicke Schuhe. Im Aufzug schaute ich mich grinsend im Spiegel an und freute mich schon, dass ich endlich hoch erhobenen Hauptes durch die Hotel-Lobby gehen konnte. Und dann war sie leer. LEER! Die Lobby war leer. Die Schnösels waren nicht da. Verdammte Ungerechtigkeit! Wenigstens war das Musical wirklich gelungen
Tag 5 – Sonntag Regen!
Naja, egal, heute gehts nach München. Dann ist es auch grad egal, was für ein Wetter ist. Ich schmeiß mich wieder in bequeme Klamotten und in die Wanderschuhe, schnall mir den Rucksack um, schnapp mir meinen Trolly und roll durch die Lobby. Die Schnösels wissen wohl nicht, warum ich so derart böse anschaue, aber egal, ich tus trotzdem.
Die Heimfahrt mit dem Bus hab ich oben schon beschrieben. Als ich in München ankam, regnete es immer noch und ich hatte echt Mühe mein Konzert am Abend zeitig zu erreichen. Lieber „The Dark Tenor“, falls Du Dich jemals auf meine Seite verirrst, es war ein super Konzert. Es war ein würdiger Abschluss meines Kurztrips und alle Mühe wert!
Tag 6 – Montag
Es regnet nicht, es ist trüb und es geht zurück nach Hause. Am Vortag hab ich noch im Vorbeilaufen gesehen, dass am Hauptbahnhof in München die Weltpressefotos 2014 (http://www.worldpressphoto.org/) ausgestellt wurden. Das war definitv ein guter Grund früher aufzustehen. Falls Ihr in der Nähe auch so eine Ausstellung habt, dann zögert nicht hinzugehen. Die Bilder sind teilweise recht schockierend, da es sich zumeist um Aufnahmen aus Kriegen und Krisengebieten handelt. Es macht nachdenklich. Da ich durch die Busfahrt, den Anblick der Flüchtlinge an der Grenze und an den Bahnhöfen Wiens mit der Realität konfrontiert worden bin, rundeten diese Fotos die Reise in dieser Hinsicht noch ab. Klar, war dieser Kurztrip hauptsächlich zu meiner Erholung und zu meinem Vergnügen gedacht, er hat mich aber auch ein bißchen was über die Welt gelehrt.