(Achtung, wer hier fotografisch hochwertige Kunstwerke erwartet, ist hier falsch. Viele der Bilder sind aus dem Zugfenster aufgenommen, inkl. Spiegelungen von anderen Mitfahrern, Armlehnen und Aschenbechern. Die Aufnahmen draußen entstanden großteils während der ungünstigsten Tageszeit, mittags, harte Schatten und so. Also nicht zu viel erwarten. 😉 )
„Von den Gletschern zu den Palmen“, das ist der Werbeslogan des Bernina-Express. Der Bernina-Express ist neben dem Glacier-Express wohl der bekannteste Schweizer Panoramazug und befährt die Strecke der Albulabahn und der Berninabahn zwischen Chur und Tirano.
Ende März 2017 startete ich meine Rundreise 1x quer durch Graubünden in der Schweiz und Norditalien. Viel Zeit für Sightseeing hatte ich diesmal nicht, den Großteil meiner Reise saß ich im Zug und bestaunte die Landschaft im Vorbeifahren. Aber ich hab jetzt eine Ahnung, wo mich meine nächsten Reisen so hinführen könnten.
Insgesamt hab ich in 4 Tagen etwa 900 km und 2.100 Höhenmeter hinter mich gebracht. Ich saß etwa 20 Stunden im Zug. Der Temperaturunterschied war übrigens auch nicht zu verachten, von ca. 10 Grad in der Schweiz auf 26 Grad in Mailand.
Die Anfahrt
Begonnen hat meine Reise mit der Verspätung der Deutschen Bahn. Wer hätte das gedacht? Völlig überraschend (Achtung Ironie!) hatte mein Zug nach Kempten 45 Minuten Verspätung. Da ich von da an keinen meiner geplanten Züge erreichen konnte, kam ich auf eine Gesamtverspätung von 2 Stunden. Sank you, Deutsche Bahn. I enjoyed my Travel veri much! Von Kempten aus ging die Reise weiter über Lindau und Bregenz am Bodensee in die Schweiz nach Chur.
Übrigens hat es die Zugstrecke Kempten-Lindau schon ganz schön in sich. Der Alex (Allgäu-Express) muss sich da durch Höhen und Tiefen und durch einige enge Kurven quälen. Aus dem Fenster sieht man die Allgäuer Hügellandschaft je nach Kurvenlage mal schräg über oder unter sich. Mein schlechter Gleichgewichtssinn kam da ziemlich durcheinander. Oder anders gesagt, mir war bockschlecht.
Ab St. Margrethen wird die Landschaft wieder weitläufiger und in der Ferne sieht man schneebedeckte Gipfel.
Albulabahn
Chur ist der offizielle Startpunkt des Bernina-Express. Da die Fahrtdauer der kompletten Strecke 4 Stunden beträgt, wollte ich diese nicht an einem Tag hinter mich bringen, sondern auf der Hälfte einen Stop einlegen. Mit dem Finger blind auf der Landkarte entschied ich in Pontresina zu übernachten. Wer da auch mal hin möchte, kann ich das Hotel Station am Bahnhof sehr empfehlen. Und die Pizza da, ist ein Traum!
Die Fahrt von Chur nach Pontresina führt über 144 Brücken und durch 42 Tunnel. Am meisten haben mich die Kehrtunnel fasziniert. Die Schweizer bauen runde Tunnel quer nach oben oder unten in ihre Berge rein! Wer kommt denn auf sowas? In den Tunnel merkt man ja gar nicht, dass der Zug gerade eine 180 Grad-Kurve hinlegt und auf einmal ist der See, den man vorhin auf der rechten Seite bewundert hat, auf der linken Seite zu sehen. Verrückt. Der Zug legt auf diesen knappen 70km einen Höhenunterschied von über 1.000 Meter hin. Von Chur mit ca. 600 m.ü.M. nach Pontresina mit ca. 1.800 m.ü.M. Mir vergingen die 2 Stunden wie im Flug, da sich die Landschaft draußen so schnell veränderte, dass ich mit dem Gucken gar nicht hinterkam.
Übrigens fuhr ich diese Strecke nicht mit dem offiziellen Bernina-Express, sondern mit dem Regionalexpress, der stündlich von Chur nach St. Moritz verkehrt. Für den zweiten Teil der Strecke hab ich mich dann für den Bernina-Express und einen Sitzplatz im Panorama-Wagen entschieden. Die Zugstrecke ist ja haargenau die selbe. Im Regional-Express hat man eventl. das Pech keinen Panoramawagen zu bekommen, was jetzt meiner Meinung nach nicht so schlimm ist. Im Bernina-Express bekommt man noch das „Bernina“-Erlebnispaket dazu. Vollgestopfte Wagen mit Ausflugsgruppen, in denen man ab 10 Uhr morgens Prosecco bestellen kann und Zugbegleiter – die zwar sehr nett waren – aber einem immer wieder überteuerte Bernina-Erinnerungsstücke andrehen möchten. Das muss man selbst entscheiden, was man haben möchte, ich würde das nächste Mal lieber wieder mit dem Standard-Regionalexpress fahren.
Pontresina
Pontresina ist ein echt nettes Dörfchen in einer wunderschönen Landschaft. Ich glaube, man kann da das ganze Jahr hinfahren und es ist immer schön. Im Winter gibt es auch für Nicht-Skifahrer eine Reihe von Winterwanderwegen, im Sommer ist es vermutlich das Wander- und Kletterparadies schlechthin. Ich bin bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen 16 Grad ins Val Roseg gewandert, ein Seitental, das nur zu Fuß, dem Rad oder mit der Pferdekutsche erreichbar ist. Der Wanderweg verläuft ohne Steigungen entlang eines kleines Flusses. Man hört nichts anderes als Vogelgezwitscher und das Gluckern vom Bach. Ab und an begegneten mir noch ein paar Leute, aber in der meisten Zeit war ich für mich alleine. Das waren wohl die schönsten Stunden auf meiner Reise, die Fotos können die Schönheit dieser Landschaft gar nicht widerspiegeln. Außerdem hatte ich nicht mal großartige Lust auf den Auslöser zu drücken, die Erinnerung an dieses schöne Tal bleibt mir auch so.
St. Moritz
Da St. Moritz nur 3 Haltestellen bzw. nur knappe 10 Kilometer von Pontresina entfernt ist, war klar, dass ein Abstecher zu den „Reichen und Schönen“ nicht fehlen durfte. Auch in St. Moritz ist Ende März nicht allzu viel los. Man merkt, man ist in der Übergangszeit, in der Fußgängerzone kommen einem Leute in Skioutfit aber auch in kurzen Hosen entgegen. Auch in den Schaufenstern sieht man einerseits noch die Skianzüge in neontürkis, sowie die 12cm-Louis Vuitton-Sandaletten aus der Frühjahrskollektion.
Berninabahn
Von Pontresina aus schlängelt sich die Berninabahn nochmals gut 300 m weiter nach oben, bis sie bei Ospizio Bernina bei 2256 m.ü.M. ihren Höhepunkt erreicht. Damit ist die Berninabahn die höchste Alpenquerung auf Schienen. Hier liegt auch noch ordentlich Schnee und man hat Sicht auf einige Gletscher. Von da an geht es in langgezogenen Kurven hinab in das Tal nach Poschiavo. Mit jedem Höhenmeter nach unten sieht man wie der Frühling zurückkehrt. Nach gut 2 Stunden erreicht man Tirano in Italien. Dort stehen dann übrigens die oben erwähnten Palmen und Ende März konnte ich im T-Shirt schon draußen sitzen und gemütlich eine Pizza essen und einen Cappuchino trinken. Italien-Feeling pur!
Mailand
Von Tirano aus gibt es in der Wintersaison nur zwei Möglichkeiten zur Weiterreise. Entweder den gleichen Weg zurück in die Schweiz oder weiter Richtung Süden nach Mailand. Da die Fahrt auf der Berninabahn nicht unbedingt gerade die Günstigste ist, habe ich mich für die Heimfahrt über Mailand entschieden. Falls ihr mal dort unterwegs seid, ja nicht die Tickets bei der Deutschen Bahn kaufen, lieber direkt bei Trenitalia. Von Tirano nach Mailand zahlte ich für 2,5 Std. Fahrt nur 12,50 EUR. Von Mailand nach Zürich waren es 40 EUR. Bei der Deutschen Bahn hätte ich 190 (!) EUR zahlen müssen.
Mailand als Stadt selbst ist sehr schön, dagegen kann man gar nichts sagen. Allerdings empfand ich sie nach der sehr ruhigen und sauberen Schweiz als beinah unerträglich laut, hektisch und dreckig. Vielleicht tue ich der Stadt unrecht, aber wohlgefühlt habe ich mich in ihr nicht. Auch war ich noch nie in einer so großen italienischen Stadt und weiß somit nicht wie die Normalität dort aussieht, aber die große Präsenz von Polizei und Militär an öffentlichen Plätzen, empfand ich als „unnormal“. Mailand hatte in naher Vergangenheit natürlich wie viele europäische Städte Probleme mit dem großen Zustrom von Flüchtlingen. Das merkt man auch heute noch, öffentliche Plätze sind voll mit fremd aussehenden Leuten und damit meine ich nicht die Italiener. In Italien sind viele Afrikaner angekommen und geblieben. Die große Polizeipräsenz und die Kontrollen am Mailänder Bahnhof, die schon fast an Kontrollen an Flughäfen erinnern, lassen mich vermuten, dass das Zusammenleben auch in Italien nicht so ganz glimpflich abläuft.
Im Großen und Ganzen war ich froh, als ich Mailand wieder hinter mir lassen konnte. Klar, war ich ein wenig Schaufenster bummeln, welche Frau kann denn da widerstehen? Und ein paar Fotos vom Dom und der Galleria Vittorio hab ich auch mitgebracht.
Die Rückfahrt
Auf der Strecke von Mailand zurück nach Zürich, reiht sich ein See nach dem anderen. Comer See, Luganer See, Vierwaldstädter See, Zuger See, Zürichsee… Ein Traum für jeden Bergsee-Fan.
Und ein weiteres Highlight hat die Strecke auch zu bieten. Der neue Gotthard-Basistunnel. Er ist mit 57km der derzeit längste Eisenbahntunnel der Welt. Der reguläre Personenverkehr wurde erst im Dezember 2016 aufgenommen, also ist er noch nagelneu. Ich hab gar nicht damit gerechnet, dass ich da durch komm. Aber als es dann mal im Tunnel nach 10 Minuten immer noch nicht hell wurde, hab ich mich doch mal erkundigt, wo ich eigentlich grad bin.
Hier noch ein paar Impressionen aus dem Zugfenster, wo genau weiß ich leider nicht, in der Nähe von Luzern auf jeden Fall.