Ich denke, die meisten von Euch haben doch schon mal von dem Berg namens Brocken gehört, oder? In den Wetternachrichten kommt er häufig vor, der Brocken ist bekannt für extremes Wetter und es wird immer wieder von dort oben berichtet. Andere kennen ihn unter dem Namen Blocksberg, der Sage nach versammeln sich dort die Hexen zum Tanz. Bibi Blocksberg feiert übrigens in Folge 8 zusammen mit anderen Hexen die Walpurgisnacht auf dem Brocken. Einmal im Jahr wird die Rockoper „FAUST“ auf dem Brocken aufgeführt. Ich, als Süddeutscher hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wo der Brocken überhaupt liegt. Wenn mich jemand vor 3-4 Jahren gefragt hätte, hätte ich vielleicht geantwortet „irgendwo in den Alpen“. Schließlich ist es ja ein „hoher“ Berg mit „viel Schnee“.
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich mich mit dem Brocken ausführlicher beschäftigt habe. Vermutlich haben mich die Bilder der Brockenbahn darauf gebracht. Gebt doch mal bei Google den Suchbegriff „Brockenbahn im Winter“ ein. Ihr könnt hoffentlich erahnen, was mich daran fasziniert. Auf den Brocken fährt auch heute noch mehrmals täglich eine Bahn, die von einer Dampflokomotive gezogen wird. Die Bilder, die dort entstehen, wenn die Brockenbahn mit ihrer Dampflok durch die verschneiten Tannenwälder dampft, sind wirklich genial.
Ich bin zwar ein Zugfan, aber bei meiner Recherche hat mich noch viel mehr fasziniert. Ich habe endlich erfahren, wo genau der Berg liegt: Nämlich im Nationalpark Harz. Der Nationalpark liegt ziemlich in der Mitte von Deutschland und gehört zu den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Der höchste Berg des Nationalparks ist…. tada… der Brocken. Rings um den Brocken ist Deutschland ziemlich flach. Wie sagte eine Bekannte aus Norddeutschland so schön: „Da kann man den Besuch von übermorgen heute schon kommen sehen.“ Der Brocken sticht somit aus der Landschaft hervor, obwohl er selbst nur 1.141,2 Meter hoch ist. Darum sind die Wetterverhältnisse auf dem Brocken auch so extrem. Im Internet wird beschrieben, dass die klimatischen Bedingungen auf dem Brocken etwa denen von Island oder Nordschweden entsprechen. Ich fand das schon beeindruckend, auch wenn ich es bis heute aufgrund fehlender Vergleichsmöglichkeiten kaum glaube. Auf jeden Fall wanderte der Brocken dadurch auf meine „Like2See“-Liste.
Mein Weg führte mich im Januar 2019 nach Erfurt. Erfurt und der Harz liegen zwar noch etwa 2 Stunden Auto- oder Zugfahrt auseinander, aber es bot sich einfach an, das Ganze miteinander zu verbinden. Außerdem passte ja die Jahreszeit perfekt. Etwas Schnee liegt bestimmt auf dem Brocken, dachte ich mir so. Also nahm ich ein paar Tage Urlaub und plante den Brocken in meine Reise mit ein .
Meine Planung fand im Oktober 2018 statt. Geht es Euch eigentlich auch so, dass genau dann, wenn man einen Trip in ein besagtes Gebiet plant, auf einmal genau dieses Gebiet kurz danach Tagesgespräch wird? Ich hatte das damals, als ich nach Budapest wollte. Kein Mensch kümmerte sich um Budapest, bis ich mein Hotel reserviert hatte. Dann auf einmal kam der Flüchtlingsandrang auf Ungarn und Österreich und ich sah „mein“ Ziel auf einmal in den Tagesthemen.
Beim Brocken ging es mir fast so ähnlich. Nicht falsch verstehen, ich möchte die Ereignisse der Flüchtlingskrise keinesfalls mit dem starken Schneefall Anfang Januar 2019 vergleichen. Obwohl ja beides mit hereinbrechenden Massen… egal, anderes Thema. Ich hatte nur so ein leichtes Déjà-vu, als ich die Brockenbahn Anfang Januar in der Tagesschau gesehen habe.
Anfang Januar 2019 fiel innerhalb kürzester Zeit sehr viel Schnee. Insbesondere im Allgäu, in Südbayern, in Österreich und der Schweiz. Aber auch auf dem Brocken kam einiges runter. Am 8. Januar 2019 gingen die Bilder einer eingeschneiten, eingefrorenen Dampflok um die Welt. Ein Zug der Brockenbahn steckte in einer Schneewehe fest. Die Passagiere mussten evaluiert und die Lok mit den Anhängern selbst in bis zu drei Tagen andauernden Rettungsaktion wieder ausgebuddelt werden. Schaut Euch mal die Bilder auf Google an.
Ich fand das ja total irritierend, so 3 Wochen vor meiner Reise in den Harz. Ich habe dann etwas weiter recherchiert und bin auf Berichte gestoßen, dass auch in den Vorjahren die Brockenbahn viele Touristen auf den Brocken gebracht hat, obwohl die Wetterverhältnisse echt abenteuerlich waren. „Unverantwortlich“ nannten das manche, „nur auf Profit aus“ wurde die Brockenbahn genannt. Andere Stimmen meinten, man würde die Besucher nicht ausführlich darüber beraten, was sie auf dem Brocken erwarten würde. Irgendwann im Januar 2019 musste die Bergrettung ausrücken um eine Schwangere vom Berg zu retten, die im Schneesturm den Weg nach unten nicht gefunden hatte, während die Bahn ihren Betrieb aufgrund schlechten Wetter eingestellt hatte.
Mir hat das ja einiges zu denken gegeben. Anfangs dachte ich ja, dass ich egal bei welchem Wetter auf den Brocken wollte. Die Bahn fährt schließlich, also was soll passieren? Die Berichtserstattung hat mich dann doch ins Grübeln gebracht. Ich fragte mich tatsächlich, ob es sein muss, komme was wolle wirklich hoch zu fahren. Grundsätzlich sorgte ich mich weniger um meine eigene Sicherheit, denn selbst wenn bei Schneesturm die Bahn stecken bleibt, die Passagiere werden in der Regel als erstes gerettet. Aber muss ich das wirklich machen? Muss ich das den Mitmenschen antun, die dann die verschneite Lok wieder ausbuddeln, die mich irgendwie vom Berg nach unten schaffen, die die Wege irgendwie freihalten müssen? Nein, ich beschloss, dass ich nur auf den Brocken fuhr, wenn die Wetterverhältnisse es zulassen würden und ich keinem Mitarbeiter arg viel Mehraufwand bereiten würde. Vermutlich ist es ein bisschen naiv betrachtet, da die Bahnmitarbeiter im Winter jeden Tag damit zubringen, die Strecke frei zu halten. Aber ich schwor mir einfach, extreme Wettersituationen zu vermeiden und dann lieber am Fuße des Brocken zu wandern, als am Schluss wie die Schwangere, die ich oben erwähnt habe, in der Zeitung zu landen.
Noch zur Vollständigkeit: am 8. Januar 2019 ist die Brockenbahn in einer Schneewehe stecken geblieben. Drei Tage hat es gedauert die Lok zu bergen und die Strecke wieder frei zu bekommen. Am 12. Januar 2019 blieb erneut ein Zug wenige Meter nach dem Bergbahnhof im Schnee stecken und entgleiste beim Versuch sie freizuziehen. Bis 15. Januar 2019 und auch am 27. Januar 2019 fuhr die Brockenbahn aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse nur bis Bahnhof Schierke und nicht bis zum Gipfel. Am 31. Januar 2019 fuhr ich auf den Brocken. Die Lok, die meine Zug zog war übrigens genau die 99 234, die drei Wochen vorher 2 Tage tiefgefroren auf dem Brocken auf Bergung wartete. Großes Lob an die gute alte Dampflok-Technik und an das Auftau-Team der Brockenbahn! Vom 09. bis 11. Februar wurde die Fahrt nach oben schon wieder eingestellt, die Schneehöhe hatte 2 Meter auf dem Gipfel erreicht.
So ein ganz klein wenig, finde ich es schade, dass ich die extremen Wetterbedingungen auf dem Brocken nicht erlebt habe.
Aber zum ganz großen Teil bin ich dankbar um diesen Tag auf diesem beeindruckenden Berg. Ich nächtigte in Wernigerode und dort war es morgens schon sonnig und wenig bewölkt. Nach meinem Frühstück im Hotel lief ich in Richtung Bahnhof. Von dort aus sah man den Brocken-Gipfel und er lag noch in Wolken gehüllt. Am Ticketschalter von Wernigerode hängt ein Bildschirm mit einem Bild von der Webcam des Bahnhofes am Brocken. Auch dort sah man, dass es dort noch starken Nebel hatte. Aufgrund der ganzen Vorgeschichte hatte ich echt Bedenken, wirklich nach oben zu fahren. Die Mitarbeiterin am Ticketverkauf konnte mir zwar kein Sonnenschein auf dem Gipfel versprechen, schloss aber Sturm und starken Schneefall an diesem Tag aus. Also wagte ich es und buchte ein Ticket für Hin- und Rückfahrt zum Brocken-Bahnhof. Ich kann mich nicht erinnern, den Wettergöttern irgendetwas geopfert zu haben, aber sie meinten es an dem Tag wirklich gut mit mir.
Kurz danach gegen Mittag begann meine Reise ins Winter-Wonderland.
Von Wernigerode aus benötigt die Bahn ca. 1,5 Std. bis auf den Brocken. Ca. eine halbe Stunde vor Erreichen des Gipfels konnte man vom Zug aus den Funkturm des Gipfels sehen. Ja, wirklich, man konnte ihn sehen! Der Nebel bzw. die Wolken hatten sich verzogen. Ein kleiner Freueschrei ging durch unser Abteil, als uns allen klar wurde, dass selbst am Gipfel oben die Sonne scheint.
Ich versuch gerade meine Eindrücke in Worte zu fassen, aber mir fällt nichts anständiges ein. Ja, es war kalt dort oben. Das Thermometer zeigte -8 Grad an und es war windig. Ich bin auch wirklich kein Winter-Mensch, ich reg mich über jede Schneeflocke auf und sehne den nächsten Sommer schon im Oktober entgegen, aber das… das war unbeschreiblich. Diese Schneemassen bei strahlenden Sonnenschein… ich kann mir nicht einen Menschen vorstellen, der das nicht schön findet. Ich war dort oben für ein paar Stunden wirklich total weg und gefangen von der Landschaft, ich hoffe, ich kann Euch das in den Fotos und Videos zumindest ein bißchen wiedergeben. Die Schneehöhe am Gipfel betrug an dem Tag übrigens 1,65 Meter.
Ich bin wie schon bereits gesagt, mit der Bahn auf den Brocken gefahren und wieder zurück. Allerdings bin ich ca. eine halbe Stunde lang der Brockenstraße Richtung Tal gefolgt, bevor ich wieder umdrehte um den Weg zurück zu marschieren. Am Talbahnhof, dem Bahnhof Schierke, habe ich Menschen gesehen, die mit mir zusammen hoch gefahren sind, aber dann komplett nach unten gelaufen sind. Aufgrund meiner groben Schätzung, kann es also nicht mehr als 2,5 Stunden dauern um vom Brocken-Bahnhof nach Schierke zu wandern. Das nächste Mal würde ich also auf jeden Fall auch nach Schierke wandern, wenn es das Wetter zulässt. Es ist „nur“ ein Höhenunterschied von 440 Meter, das ist auch für ungeübte Hochalpiner mit guten Schuhen in der Regel machbar.
Allerdings bin ich im Nachhinein dankbar, dass ich gegen 16:30 Uhr mit der Brockenbahn nach unten gefahren bin, dadurch kam ich zu diesen Aufnahmen der Harz-Landschaft bei Sonnenuntergang:
Diese Aufnahmen sind alle mit meinem Handy entstanden. Ich hatte meine Kamera während meines Aufenthaltes auf dem Brocken fast immer draußen und diese war also die -8 Grad gewohnt. In den Abteilen der Brockenbahn wurde ordentlich eingeheizt, Meine Kamera beschlug sofort und bildete Kondenswasser auf der Linse und auch innerhalb des Gehäuses, soweit ich sehen konnte. Ab dem Zeitpunkt hab ich mich nicht mehr getraut, die Kamera zu aktivieren, bis sie sich wieder aklimatisiert hatte. Mein Smartphone hatte mit dem Temperaturunterschied weniger Probleme. Die Bilder vom Handy finde ich trotzdem ganz gut gelungen, oder?
Zum Abschluss möchte ich Euch noch ein paar Bilder von Wernigerode zeigen. Wernigerode wirbt mit dem Slogan „Die bunte Stadt im Harz“, unter anderem hat genau dies mich gereizt, als ich einen Ort zum Übernachten gesucht habe. Nett, klein, überschaubar, würde ich sie jetzt beschreiben. Sie ist definitv einen Besuch wert, aber liebe Wernigeroder, verzeiht mir, das Highlight Eurer Stadt war für mich dennoch der Startbahnhof der Harz-Querbahn und der Brockenbahn.
Ich denke, ich habe den perfekten Wintertag auf dem Brocken erlebt. Ich schrieb oben schon, ein ganz klein wenig finde ich es schade, dass ich die extremen Wetterbedingungen auf dem Gipfel nicht erlebt habe, aber der größere Teil von mir ist auch froh darüber, diesen wahnsinnig schönen Wintertag auf dem Blocksberg erlebt zu haben.